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Der Reitsport verändert sich, Neues von Reitclever April 2023

Der Reitsport verändert sich auch dank des Neuro-Rider-Moduls

Letzte Woche war ich zu einem Auffrischungsmodul des Neuro-Rider® in der Westfälischen Reit und Fahrschule. Für Verspätung sorgte weniger der angekündigte Bahnstreik als ein Oberleitungsschaden. Auf der Hinfahrt sollten wir auf einmal aussteigen und alternative Verbindungen nutzen, um nach Münster zu kommen. Dank Bahnapp konnte ich alternative Routen heraussuchen. Letztendlich kam ich eine Stunde später im Hotel an als geplant. Auf der Rücktour waren es zwei Stunden, weil der besagte Oberleitungsschaden verhinderte, dass mein ICE pünktlich in Hamm losfuhr.

Erstaunlicherweise fand ich das gar nicht schlimm. Ich hatte eine ganze Menge zu erledigen und viel Input zu verdauen. Marc Nölke hat die Ausbildungsstruktur umgestrickt und bietet mehr Querverbindungen zum Reiten als früher. Denn der Reitsport verändert sich durch das innovative Training. Ich habe Neues gelernt, was ich am nächsten Tag mit meiner Truppe im Süden von Berlin ausprobieren konnte :-).

Schlimmer fand ich , dass sich die „Westfälische“ so verändert hat.

Ich habe im Sommer 2006 die Zusatzqualifikation Reiten als Gesundheitssport dort absolviert. Was war das damals für ein quirliges Leben auf dem Gelände. 6- 8 Azubis liefen überall herum. Man traf sich morgens zum Misten und Frühstücken, um sich dann auf seine Ausbildungsmodule zu verteilen. Die Azubis hatten vormittags Zeit, die ihnen zugeteilten Pferde nach eigenem Ermessen zu arbeiten. Dann gab es Springstunden, Dressurstunden, Training auf dem gigantischen Geländeplatz und Meisterlehrgänge. Mir tat es damals fast leid, dass ich selbst an einem Lehrgang teilnahm- viel lieber hätte ich manchmal dem bunten Treiben auf den großen Plätzen zugeschaut. Auch liefen bis in den späten Abend hinein Schulstunden.

Letzte Woche herrschte dagegen überall gähnende Leere. Auf den Paddocks, auf den Plätzen, in den Hallen. Ab und zu sah man einen Menschen in Reitkleidung, jemanden der ein Pferd putzte oder Teilnehmer eines Trainer C Lehrganges, die sich gegenseitig Unterricht gaben. Die Pferde standen meistens in den Boxen…

Wo ist das Leben dort hin?

Im Gespräch mit anderen erfuhr ich, dass die Reit- und Fahrschule ihre Inhalte nun flexibel gestalten muss. Die Meisterausbildung findet für Westfalen nur noch in Warendorf statt. Auf der Homepage findet man „Azubis gesucht“. Ferner: “Als Zirkelunterricht wird bei uns der tägliche Reitschulunterricht bezeichnet. Der Begriff stammt aus der Zeit, wo in einer Reitstunde mehrere Reiter auf ihren Ponys oder Pferde hintereinander her auf zwei Zirkeln verteilt in der Abteilung ritten. Solange, bis sie die nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten besaßen, genügend auf das eigene Pferd einzuwirken um selbstständig Bahnfiguren zu reiten.“ Auch das ist ein Zeichen: heute haben die meisten Reiter eigene Pferde: Der Reitsport verändert sich.

Solche Zirkelstunden habe ich im Gegensatz zu 2006 nirgendwo gesehen. Sämtliche Landesreitschulen, von denen es deutschlandweit glaube ich nur noch 9 gibt, zollen der Entwicklung Tribut. Sie bieten nun vor allem Ergänzungsqualifikationen an: Von Bodenarbeit, Kinderreitunterricht, Sitz- und Gleichgewichtsschulung bis hin zu Trainer- und Abzeichenlehrgängen.

Die Institution der Landesreitschule Hoya gibt es nicht mehr

Nach dem Weggang von Schulleiter Hans Heinrich Meyer zu Strohen wurde  ein neues Konzept erarbeitet. Das reichte augenscheinlich nicht: ein Handelsstall ist nun auf dem Gelände beheimatet.

Als ich im März auf der Equitana in Essen war, habe ich mich insgeheim gewundert, WIE viele Menschen vom Reitsport leben. Was es alles für Gewerke und Dienstleistungen gibt, die sich mit dem Partner Pferd beschäftigen. Der Reitsport ist ein Riesenmarkt und bietet augenscheinlich genug Nischen, sich dort zu betätigen und Einkommen zu generieren. Doch habe ich das Gefühl, dass es zunehmend seltener eine einheitliche Struktur gibt, die beispielsweise das Ausbildungssystem der FN bietet. Wenn Landesreitschulen weg brechen, müssen private Anbieter das Angebot ersetzen. Das gelingt ihnen vor allem mit eigenen Ansätzen in ihrem eigenen Umfeld.

Claudia Benedela im Süden von Berlin

Manchmal denke ich, dass viele gerne ihr eigenes Süppchen kochen. Die klassische Ausbildung versus Ideen, die mehr oder weniger schnellen Erfolg versprechen: der Reitsport verändert sich. Diejenigen, die mit dem bewährten System schlechte Erfahrungen gemacht haben, suchen sich neue Wege. Reiter, deren Pferd gesundheitliche Probleme entwickeln, schauen nach Spezialisten mit einem gesundheitlichen Background: Physiotherapeuten, Osteopathen, Rehatrainer, Huforthopäden… Oft entwickeln die Pferde aber körperliche Baustellen, weil das Wissen des Reiters nicht auszureichen scheint (ich habe letztens einen Kurs „Rehatraining“ mit Claudia Benedela besucht und darüber den Artikel „Becken gerade und Wirbelsäule lang geschrieben- klick zum Lesen auf den blauen Link).

Wie man beispielsweise am florierenden Sattelmarkt erkennen kann, gibt es heutzutage kaum ein „klassisches Reitpferd“. Vom Isländer und Tinker bis hin zum Lusitano, Araber und Rheinischem Kaltblut gibt es alles zu sehen in den Ställen. Je nach Herkunft haben diese Pferde dann auch mehr oder weniger Ausbildung erhalten, so dass man sich als Reiter flexibel darauf einstellen sollte. Nicht allen passt die „klassische“ Reitlehre.

Aber Pferd und Reiter haben IMMER eine zugrunde liegende Anatomie und Physiologie

Ich kann das Pferd nicht von hinten aufzäumen. Vielmehr muss ich mich an funktionellen Zusammenhängen orientieren, wenn ich Tragkraft aufbauen möchte. Auch der Reiter funktioniert nur nach anatomischen Gegebenheiten. Für eine gute Gewichtseinwirkung ist es sinnvoll, am Rumpf und nicht am großen Zehn anzufangen. Das kann man auch, aber dann muss man verstehen, wie Muskelketten arbeiten und in welche Richtung ich den Zeh bewegen muss, um die richtige Oberkörperspannung hervorzurufen. Solche Experimente veranstalte ich häufig in meinen Kursen für gesundes Reiten. Der AHA-Effekt ist dann bei den Teilnehmern oft groß. Ideen dafür gibt es auch in meinem Buch „Besser Reiten- locker bleiben in Hüfte, Knie und Rücken“.

Flexibel gestalten muss auch ich den Mai.

Genießt die Tage im Mai!

Eins meiner Pferde hat ziemlich schlimm EOTHR, was sich kaum angekündigt hat. „Luna“ sieht gut aus, hat glänzendes Fell, ist im März und April sehr gut beim Kurs Pferdeführerschein Umgang gelaufen. Eigentlich hat sie nur Schwierigkeiten, große Möhren zu kauen und Mundgeruch. Auf jeden Fall muss sie am 03.05.23 in die Tierklinik. Da ich nicht abschätzen kann, wie lange sie dort bleibt und wie aufwändig sich die Nachbehandlung gestaltet, habe ich schweren Herzens die Woche Rügen abgesagt. Ich hatte neben dem Retreat für Reiter auch große Pläne mit Martina Herrmann, der Leiterin der Reitschule Viervitz, was Trainerfortbildung betrifft. Nun müssen wir die im Juni schmieden- flexibel gestalten ist auch dort das Gebot der Stunde. Dass sie das gut kann, beweist Martina Herrmann mit ihrer vielseitig aufgestellten Reitschule und dezentraler Ausbildungsstätte des Landesverbands Mecklenburg immer wieder, denn auch dort gilt: der Reitsport verändert sich.

Was auch immer Du machst, ich wünsche Dir ein schönes langes Wochenende und einen tollen Mai,

Corinna von Reitclever

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