Schlagwort: Tierwohl

Das große Ganze, Neues von Reitclever August ´23

Das große Ganze

Letztes Wochenende war ich bei einem Aktionstag meines Reitvereins. Kommenden Samstag veranstaltet der einen Reitertag und wir bereiteten Vieles vor. Das große Ganze muss gut organisiert und gepflegt sein, damit Reiter und Besucher sich wohl fühlen.

Ist eigentlich clever, sich ab und zu eine Veranstaltung auf den Hof zu holen

So ein Vorhaben setzt viel Energie frei: Schauen, was getan werden muss, wer helfen kann, um am Tage X alles fertig zu haben und am Laufen zu halten. Wenn bei uns eine Hochzeit oder unser alljährlicher Kunstgewerbemarkt ansteht, mache ich das auch. Im Vorfeld bin ich dann teilweise genervt, weil viel zu tun ist und größtenteils ich für alles verantwortlich bin. Wenn aber dann alles gemacht ist, die Veranstaltung gut läuft und danach für einige Zeit alles ordentlich ist, ist das ein tolles Gefühl. Dann hat sich der Aufwand gelohnt.

Während wir letzten Samstag Hindernisse sauber gemacht und auf dem Geländeplatz gewerkelt haben, fühlte ich mich an die Zeit in meinem früheren Reitverein erinnert. Damals war es für mich besonders, aus einem Vereinsschulbetrieb in eine Institution zu wechseln, die sich die Jugendförderung auf die Fahnen geschrieben hatte. Zuerst war ich sehr ehrfürchtig vor all den guten Reitern und Turnierpferden, die dort beheimatet waren. Das Drumherum war harmonisch und die Mitglieder gingen nett miteinander um. Sicherlich gab es auch Reibereien, aber ich empfand den Verein insgesamt als eine Einheit. Das änderte sich etwas, als meine Voltigierabteilung in die Gemeinschaft aufgenommen wurde. Nicht alle Mitglieder konnten gut damit umgehen und ich begann, Zwischentöne wahrzunehmen.

Im Verein gab es auch Arbeitseinsätze

Die konnte man sich über das Jahr gesehen frei einteilen oder eben als geballte Aktion bei Turnieren oder Heulieferungen leisten. Meine Ehrfurcht wich im Laufe der Zeit, je älter und erfahrener ich wurde. Doch das große Ganze blieb in meinen Augen positiv. Auf jeden Fall finde ich eine spezifische Zielsetzung und eine damit verbundene Ausrichtung sinnvoll, um das große Ganze zu lenken: Wo geht es hin? Was soll mit welchem Einsatz erreicht werden? Ich habe manchmal das Gefühl, dass heutzutage viele Menschen lieber allein vor sich hin puzzeln. Das mag in vielen Fällen sinnvoll sein, aber so richtig vorwärts geht es meist besser zusammen. Eine starke Bewegung schafft man nur im Team, kaum alleine.

Das große Ganze im Blick

Gemeinsam gegen die Graukresse auf den Pferdewiesen, gegen die in Kraft getretene GOT, die in manchen Kommunen erhobene Pferdesteuer … Oft denkt man darüber nach, sich einer Gemeinschaft anzuschließen, wenn es an die eigenen Interessen geht. Vielleicht wäre es auch in anderer Hinsicht gut, sich mit anderen zu verbinden? Für mehr Tierwohl, gegen Schlachttransporte, einen Erhalt der klassischen Reitkunst (wobei schon bei diesem Begriff die Meinungen sehr weit auseinander gehen) oder für die Möglichkeit, sich auch in 20 Jahren noch mit dem Pferd auseinander setzen zu können. Wenn Preisentwicklung und Klimawandel so weiter gehen, dürfte das zumindest in finanzieller Hinsicht eine Herausforderung werden.

Ansonsten stand mein August weitgehend im Zeichen der Sommerferien

und dem oben erwähnten Zossenhofer Kunstgewerbemarkt. Nach einem verregneten Markttag im letzten Jahr hatten wir in diesem Durchgang 35 Grad im Schatten. Auch eine Herausforderung.

Für die Ausdauer gehe ich mit meinem Sohn regelmäßig schwimmen. Das entspannte Paddeln am Badesee dürfte wahrscheinlich langsam vorbei sein. Ein Ostseetrip hat mich die beobachtete Ähnlichkeit von Hunde- und Pferdebesitzern zu dem Artikel “Wie übergriffig darf man sein?“ motiviert.

Nun geht das normale Leben mit Physio in der Praxis und Reitunterricht wieder los. Ich freue mich auf das Weiterschreiben meines geplanten nächsten Buches und auf den Kurs Pferdeführerschein Umgang ab 30.09.2023. Auf Grund von Absagen gibt es dort wieder freie Plätze. Auch bin ich am 01.10.2023 zum Herbstfest auf dem Pferdehof Neubeeren eingeladen und biete dort eine Bewegungsstunde „Gesunder Rücken, gesunder Mensch an.

Also behalte das große Ganze im Blick und vielleicht bis bald,

Corinna von Reitclever

#zielimblick

#gemeinsamsindwirstark

#tierwohl

Wie übergriffig darf man sein?

Wie übergiffig darf man sein, wenn es um das Tierwohl geht?

Letzte Woche war ich ein paar Tage an der Ostsee. Der Aufenthalt hat mich zu der Frage bewogen: „Wie übergriffig darf man sein?“ Auch wenn die Fragestellung Unruhe vermuten lässt, war es wunderschön. Die Temperaturen erlaubten sogar einen Badetag, allerdings war die Ostsee echt frisch.

Da wir in Begleitung einer Hundebesitzerin waren, sind wir viel gelaufen und waren an einem Hundestrand. Sehr interessant, was man dort alles sieht. Auch ist die Parallele zu Pferdebesitzern kaum zu übersehen: große Hunde, kleine Hunde und mehr oder weniger gut erzogene Hunde. Viele die tobten, mit anderen spielten und auch auf einen Zuruf sofort wieder zu Frauchen oder Herrchen zurückkamen. Kleine Kläffer, die alles und jeden anbellten, große Bullige an der Leine mit einem deutlichen Stresslevel und andere, die augenscheinlich deshalb an der Leine waren, weil die Kommunikation zwischen Mensch und Tier suboptimal ist. Gechillte Besitzer mit entspannten Hunden, Gestresste mit unausgeglichenen Hunden und auch welche, die entweder bewusst über Manches hinweg sahen oder ignorant waren.

Ich fand es interessant, was ich beobachten konnte

Aber auch nur am Rande, da ich im Entspannungsmodus unterwegs war. Sehr aufschlussreich finde ich, dass man augenscheinlich nur das wahrnimmt, was man selbst gerade als Thema hat. Wenn sich zwei Frauen immer lauter werdend unterhalten, weil der eine Hund frei herumläuft und an dem angeleinten Hund der Anderen schnuppert und sich das Frauchen des angeleinten Hundes darüber beschwert, dass der frei laufende Hund genau das tut. Wenn das Fazit einer solchen Begegnung dann heißt: „So viele unentspannte Hundebesitzer hier“ muss ich doch ein bisschen lachen. Ich bin mir sicher, wenn die Situation anders herum gewesen wäre, wäre die Besitzerin des unerlaubt schnuppernden Hundes laut und ärgerlich geworden. Denn sie beobachtet nahezu alles, was sich im Umfeld ihres Hundes abspielt und bewertet es aus ihrer eigenen Perspektive.

Ich denke, das ist normal und man kann so ein Verhalten auch bei Reitern sehen

Wenn ich beispielsweise selber gerade Probleme mit der Losgelassenheit habe oder auf Grund eines zurück liegenden Ereignisses eventuell Angst habe, frei zu galoppieren, bin ich verspannt. Dann werde ich jeden anpampen, der mit seinem Pferd zu dicht an mir vorbei reitet. Gerade dann, wenn das Pferd des Anderen das Tempo frei wählen darf und sein Reiter es dabei gewähren lässt. Ob er das bewusst tut oder sein Können für eine Tempokontrolle eventuell nicht ausrechend ist, ist dabei mitentscheidend. Jedenfalls finden Hundebesitzer andere Hunde in so einer Situation zu wenig erzogen, hysterisch oder zickig. Andere sind zu stark beeinflusst oder auch gebrochen. Mir ist bewusst, dass all das möglich sein kann und man das mit einer langen Hundeerfahrung auch sehen kann. Ich sehe in kurzen Sequenzen auch relativ viel, auch oder gerade wenn ich das Pferd – Reiterpaar nicht gut kenne.

Aber aus dem eigenen Pro-Hund Denken heraus entgegenkommende Passanten anzusprechen, dass ihr Hund zu dicht an der Straßenkante läuft, empfinde ich als übergriffig. Auch wenn ein Paar gerade im Biergarten ankommt und ihm entgegengebracht wird, dass ihr Hund dringend Wasser braucht.

Wie übergriffig darf man sein, wenn man das Gefühl hat, das ein Tier in Gefahr ist?

Sei es, dass es Wasser braucht oder möglicherweise von einem Auto erfasst wird? Wie stark darf ich mich einmischen, wenn ich als zufälliger Beobachter eine Situation anders einschätze als der Tierbesitzer?

Diese Frage ist auch für mich als Reitlehrerin spannend. Wenn ich für Unterricht gebucht werde, erwartet man von mir, dass ich alles, was mir auffällt, beurteilen und kommentieren soll. Das tue ich meist auch. Aber oft ist Fingerspitzengefühl gefragt: im ersten Kontakt gleich auf die ungünstige Pferd- Reiterproportionen oder den Fütterungszustand des Schätzchens hinzuweisen, kann nach hinten losgehen. Meist geht das gut, wenn man sich ein bisschen besser kennen gelernt hat.

Wenn allerdings mehrere Reiter in der Bahn sind und eins unkontrolliert los bockt, ist es dann meine Pflicht loszubrüllen und den fremden Reitern Anweisungen zu geben? Auch, wenn ich nur als Beobachter am Rande stehe? Wenn ich bei Spaziergängen sehe, dass Tiere schlecht behandelt werden oder auch kein Wasser oder Futter haben, mische ich mich ein? Suche ich erst das Gespräch mir dem Halter, benachrichtige ich das Veterinäramt oder bringe ich einfach Futter vorbei? Wie übergriffig darf man sein, wenn es um das Tierwohl geht? Anders gefragt wie lautstark muss ich sein, wenn es um die Durchsetzung meiner eigenen Ansicht geht?

Für mich eine schwierige Frage. Wie hältst Du das?

Sonnige Grüße,

Corinna von Reitclever