Schon alleine das Wort Mittelpositur ist ein Knaller, oder?
Weißt du, wo sie liegt? In meinen Kursen oder Vorträgen zeigen die Zuhörer meist irgendwo in Richtung Bauch, Hüfte, Lendenwirbelsäule oder Becken. Manche zeigen auch auf den Brustkorb oder Schultergürtel.
Da sind sie zwar ein bisschen weit oben, aber sie haben auch ein bisschen Recht. Denn nur wenn die Basis des Sitzes durch eine elastische Mittelpositur zum einen stabil und zum anderen beweglich genug ist, kann der Oberkörper aufgerichtet und die Handeinwirkung weich sein. Beides hängt also unmittelbar zusammen.
Die FN schreibt zum Thema Mittelpositur in einer älteren Auflage von 2000: „Die Wirbelsäule bleibt also genau über der Mitte des Sattels und wird in ihrer natürlichen S-Form belassen … . Der Reiter sitzt gestreckt, ohne sich zu verkrampfen. Der Oberkörper ist so weit gespannt, dass einerseits seine Haltung sicher, andererseits aber ein elastisches Mitschwingen in der Pferdebewegung möglich ist. Dazu muss das Becken des Reiters den Bewegungen des Pferderückens folgen. Das wird als Mitschwingen in der Mittelpositur bezeichnet.“
Wie man das eher nicht macht, wurde mir schon als Jugendliche bewusst. Nach dem Schulbetrieb gab es eine Stunde freies Reiten der Privatreiter, bevor der Abendunterricht für die Schulpferdereiter wieder begann. Ich erinnere mich an einen schlanken Mann, der auf einem sehr großrahmigen Braunen ritt. Der Reiter bewegte sich im Bereich Lendenwirbelsäule/Bauch beim Aussitzen so weit nach vorne, dass der Rücken richtig hohl wurde. Dann federte er dort beim nächsten Trabtritt wieder zurück und sogar über die Ausgangsstellung hinaus in Richtung runde Lendenwirbelsäule. Das Ganze sah irgendwie ungesund aus. Aber durch die Kommentare der Umstehenden wurde mit bewusst, wo die Mittelpositur liegt.
Die Schwierigkeit auf dem Pferd liegt in der Steuerung von Stabilität und Mobilität.
Wenn man sich im Unterkörper zu stark festhält, entsteht in der Folge eine Art Stuhlsitz oder Spaltsitz. Wenn man sich dagegen dort so richtig locker macht, schlackern häufig die Oberschenkel und das Ergebnis ist ein unruhiger Unterschenkel.
Die Schlüsselfunktion liegt im Beckenbereich: das Becken soll locker den Bewegungen des Pferderückens folgen. Und das kann es nur tun, wenn Hüften und Lendenwirbelsäule frei beweglich sind. Unsere heutige Lebensweise mit viel Stress und wenig dreidimensionaler Bewegungsmöglichkeiten im Alltag trägt wenig dazu bei, die Mittelpositur locker zu bekommen. Sobald man viel sitzt leidet die Gelenkbeweglichkeit in der Hüfte sofort. Der in diesem Zusammenhang häufig erwähnte Psoas- Muskel reagiert mit Verspannung, wenn man wenig läuft. Auch zeigt er schnell an, wenn man unter Stress steht oder Schmerzen in Knie oder Lendenwirbelsäule hat. Er verspannt dann reaktiv und schon wird die Lendenwirbelsäule durch seinen Zug in einer Hohlkreuzposition festgehalten.
Also ist der Schlüssel für eine lockere Mittelpositur der Bereich Hüfte, Knie und Becken.
Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen in einem dieser Gelenke bewirken eine Schutzspannung, die von unserer Zentrale geschaltet wird. Das Gehirn versucht, weiteren Schaden abzuwenden und schränkt die Beweglichkeit ein. Das verhindert ein lockeres Mitbewegen mit dem Pferderücken, weil das Becken auf Grund der Muskelanspannung nicht mehr elastisch mitgehen kann.
Daher ist es eine gute Idee, dem Gehirn Sicherheit in Bezug auf die beteiligten Gelenke zu geben. Wenn es nicht einschätzen kann, ob die Hüfte beispielsweise eine volle Rotationsfähigkeit hat, wird es keine Bewegungen zulassen, die eine endgradige Beweglichkeit brauchen.
Es ist also sinnvoll, Hüfte, Knie und Becken vor dem Reiten sensorisch zu aktivieren, damit das Gehirn weiß: „hier wollen wir arbeiten“. Dann kann man mit aktiven Bewegungen vor allem die Rotation verbessern, was zu einer sofortigen Entspannung der großen Hüftmuskeln führt. Wenn der Psoas Muskel nachlässt, wird die Lendenwirbelsäule aus der Hohlkreuzposition entlassen- das Becken wird frei beweglich. Der Weg zu einem guten Mitschwingen auf dem Pferd ist geebnet.
Wie man das macht, erkläre und zeige ich in dem Kurs Hüfte, Knie und ein elastischer Sitz am 29.04.2023 in Zossen, südlich von Berlin. Dort wird es um anatomische Besonderheiten aller Gelenke und Strukturen gehen, die für einen guten Sitz auf dem Pferd entscheidend sind. Auch erkläre ich, wann und wie das Gehirn eine Schutzspannung schaltet und wie man die am besten wieder löst. Praktische Übungen für den Bereich Hüfte, Knie, Becken und eine lockere Mittelpositur sowie ein ausführliches Skript zum Zuhause nacharbeiten runden den Tag ab.
Wer lieber zuhause in Ruhe an seiner Beweglichkeit arbeiten möchte, für den gibt es ein Buch mit dem Titel „Besser Reiter- locker bleiben in Hüfte, Knie und Rücken“. Das ist gerade im FNverlag erschienen und wird im März 2023 auf der Equitana 2023. Es kann über die FN Seite oder im Buchhandel bestellt werden. Auf der Equitana kann es in Halle 6, Stand E03 am Stand des FNverlags erworben werden. Passend zum Thema halte ich am 10.03.23 und 11.03.23 um 15:00 im Gesundheitsforum der Equitana einen Vortrag.
Wer tatsächlich „Knie“ oder „Hüfte“ hat, für den ist vielleicht der Ratgeber Besser Reiten trotz Hüftbeschwerden oder Besser Reiten trotz Kniebeschwerden geeignet. Es geht im Wesentlichen darum, zu verstehen, warum das Gelenk Probleme macht. Nach einer kurzen Einführung über Anatomie, beteiligten Strukturen und Muskelfunktionen gibt es Kapitel über Schmerz und Bewegungssteuerung. Versteht man das, kann man gezielt an der Verbesserung seiner Gelenkfunktion arbeiten und wieder schmerzfrei reiten. Wenn das wieder geht, steht auch einer elatischen Mittelpositur nichts mehr im Wege. Informationen über beide Bücher gibt es unter dem blauen Link.
Viel Erfolg auf dem Weg in Richtung lockere Mittelpositur wünscht,
Corinna von ReitClever
#gesundreiten
#lockereMittelpositur
#MehrwissenfuerReiter
#besserreiten-lockerbleibeninheufteknieundruecken