
Die gute Nachricht: unser Heuvorrat für den Winter ist im Trockenen. Der Wetterbericht mahnte uns zur Eile, da Gewitter angekündigt waren. Leider fielen die bei uns nicht so ertragreich aus wie angekündigt. Auch wenn es in der Nähe unseres märkischen Bauernhofs stark regnet, kommt bei uns meist nicht so viel herunter. Letzte Woche kam von den schweren Unwettern in Berlin nicht ein Tropfen bei uns an.
Während wir also an einem späten Freitagabend Heu einstapeln, denke ich über die Work-Life-Balance von Landwirten und Pferdeverrückten nach. Das Wissen, „ohne Gleichgewicht geht nichts“ spielt eine untergeordnete Rolle, wenn Regen angekündigt ist. Heu muss trocken eingefahren werden, sonst ist eine Ernte möglicherweise innerhalb von Minuten hinüber. So etwas reißt nicht nur ein ordentliches Loch in den Geldbeutel des Landwirts, der bis zu dahin Zeit, Sprit und Energie in die Ernte gesteckt hat. Sondern es kommt im darauffolgenden Winter auch zu Engpässen und höheren Preisen, wenn flächendeckend zu wenig Heu eingefahren wird.
Wir hatten das im ersten Dürresommer vor einigen Jahren
Deutschlandweit gab es keinen zweiten Schnitt. Betriebe kauften Heu aus Polen und Tschechien. Gefühlt alle Kleinbauern machten ihre Heulager leer und brachten auf den Markt, was dort mitunter lange lag. Es war ein Winter, der viel forderte, weil aus Heumangel Stroh gefüttert wurde. Die Klinken waren voll von Pferden mit Verstopfungskoliken. Kein Raufutter ist absolut keine Alternative, wenn es um die Verdauung unseres vierbeinigen Freundes geht. Rohfaser, Energie und Mineralien müssen in einem guten Verhältnis stehen: Auch bei ihnen gilt: ohne Gleichgewicht geht nichts.
Aus diesem Grund sage ich immer ja, auch wenn ich spät am Tag die Nachricht kriege: „wir bringen heute Heu“. Auch wenn mir das Einstapeln bis 23:15 nach einem vollen Tag später in den Knochen steckte. Ich war müde und Stellen meines Körpers machten sich bemerkbar, die lange Ruhe gegeben hatten. Im Sinne der Balance lasse ich am folgende Tag alles ruhiger angehen, sonst gerät mein Gleichgewicht aus den Fugen.
Zur Work- Life- Balance gehört auch „work“ habe ich kürzlich gehört
In dem Gespräch mit einer selbständigen Praxisbetreiberin ging es um die Arbeitszeit aktuell abgeschlossener Arbeitsverträge. Auch bei mir in der Physiotherapiepraxis hat sich das deutlich verändert: Wenn es vor einigem Jahren noch üblich war, einen Betrieb von 7:00 bis 21:00 geöffnet zu halten, mindestens aber von 8:00 – 19:00 ist das heute anders. Manchmal bin ich alleine, wenn ich bis 18:00 oder 19.00 behandle. Wir haben nur zwei andere Kollegen, die an auserwählten Tagen bis 19:00 arbeiten.
So sehr ich jedem seinen frühen Feierabend gönne- wo gehen denn die Menschen mit Problemen hin, die arbeiten und erst ab 17:00 zur Therapie kommen können? Oder neben Job, Haushalt und Pferd auch etwas für sich tun wollen? Manchmal stehe ich vor verschlossenen Türen eines gut sortierten Getränkemarkts in meiner Gegend, da er früh um 8:30 noch nicht auf hat und um 19:00 schon wieder schließt. Das verringert seinen Umsatz und irgendwann summieren sich die Ausfälle zu der Notwendigkeit, den Laden zu schließen. Oder er schließt früh, weil er am Abend keinen Umsatz mehr macht.
Ohne Gleichgewicht geht nichts- das ist auch in unserem Körper so

Eine wesentliche Rolle in der Steuerung der körpereigenen Balance spielt unsere Halswirbelsäule. Ihre Hauptaufgabe ist es, die Orientierung in der Umwelt zu ermöglich: Sie bringt den Kopf in eine aufrechte Position, damit Augen, Ohren und Nase alles Wichtige erfassen können. So muss die HWS kompensieren, wenn eines dieser Sinnesorgane Funktionsdefizite hat. Denn sie sind entscheidend für unsere Sicherheit. Sobald sie etwas erfassen, was das Gehirn als Gefahr einschätzt, wird ein Schutzprogramm geschaltet.
Im Wirbelkanal verläuft das Rückenmark für die Versorgung des ganzen Körpers. Etage für Etage tritt ein Spinalnervenpaar aus, um Hals, Nacken, Arme, Beine und Oberkörper zu versorgen. Im Bereich der Halswirbelsäule verläuft ein wichtiges Blutgefäß zum Schädel. Deshalb wird einem schwindlig, wenn die HWS Probleme hat. Möglicherweise bekommt man dann auch Ohrgeräusche.
Überhaupt ist der Übergang Kopf Hals ein wichtiger Bereich

Er hat eine hohe Dichte an Rezeptoren, die die Lage im Raum und die Stellung des Kopfes zum Körper messen. Nur wenn die Augen horizontal ausgerichtet sind, können wir uns gut orientieren. Deshalb wird der Kopf immer zuerst in eine aufrechte Position gebracht. Dann wird der Rest aufgerichtet. Auch für den Blutdruck gibt es dort Rezeptoren, was auftretenden Schwindel bei Halswirbelsäulenproblemen erklärt.
Es ist hilfreich, dieses Wissen auch auf dem Pferd anzuwenden. Aus gutem Grund sagt ein Reitlehrer oft: „Schau hin, wo Du hin reitest“. Das ist nicht nur wegen der Orientierung wichtig, sondern auch, weil der Körper dem Kopf folgt und dann automatisch die richtigen Hilfen gibt.
Am Wochenende haben wir diese Zusammenhänge ausführlich trainiert
Die Reiterinnen vom Hengstresort Velten waren motiviert und trotz der Wärme gut drauf. Sie haben schon öfter gespürt, dass es hilft, sich wichtige Zusammenhänge erst ohne Pferd bewusst zu machen.
Ging es bis jetzt um die Mittelpositur, ein langes Bein und den Drehsitz, haben wir uns dieses Wochenende auf einen geraden Oberkörper und lockere Hände konzentriert.
Wenn im Anschluss eine erfahrene Reiterin, die vor einiger Zeit nach einem Unfall komplett im Schutzmodus ritt, nun auf einem unsicheren Jungpferd mit viel go locker aus der Hüfte heraus mitgeht, geht mir das Herz auf.

Es ist das einfühlsame Miteinander, was mich antreibt. Wenn Mensch und Tier zu einer Einheit heranwachsen, ist das wunderschön anzusehen. Mein zentrales Wissen dabei ist „ohne Gleichgewicht geht nichts.“
Wenn Reiterinnen, die schon länger reiten und sich selber als nicht die begabtesten empfinden, nach der praktischen Einheit mit leuchtenden Augen vor mir stehen, ist das schön zu sehen. Mit welcher Begeisterung sie die Anregungen umsetzen. „Es war mir eine Herzenzfreude, dabei zu sein“, ist ein wirklich schönes Kompliment, was ich an dieser Stelle gerne an euch alle zurück gebe. Das ist Belohnung und Wertschätzung zugleich. Dafür stehe ich gerne auf dem Platz und bringe meine eigene Work-Life- Balance durcheinander.
In diesem Sinne,
behalte den Kopf oben,
Corinna von Reitclever
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