Vor längerer Zeit überraschte mich eine Reitschülerin im Unterricht, was mich damals über den Begriff Dunning-Kruger-Effekt stolpern ließ. Sie hatte einen Traber von der Rennbahn gekauft, wurde schwanger und als sie das Kind dann hatte, ritt sie mit dem gutmütigen Tier regelmäßig aus. In der Nähe des Stalls befindet sich eine Autobahn und eine ICE – Trasse.
Sie wollte sich und ihrem Pferd mit meinem Unterricht etwas Gutes tun. Ganz erstaunlich fand ich, dass sie weder wusste, was es mit den treibenden noch den verhaltenden Hilfen auf sich hat. Besser gesagt musste ich ihr erklären, wie man als Reiter den Gang einlegt und die Bremse zieht. Das Pferd kannte diese Hilfengebung übrigens auch nicht. Von der Bedeutung der Trageaktivität waren wir noch weit entfernt.
Als ich sie verblüfft fragte, wie sie mit dem Pferd ausreitet und wieder nach Hause kommt, antwortete sie „mit der Stimme“. Augenscheinlich verstanden die beiden sich gut und bis dato war nichts passiert. Mein Unterricht wurde ihr dann zu unbequem und wahrscheinlich auch zu teuer. Sie hatte gedacht, mit 2-3 Reitstunden ist der guten Sache Genüge getan.
Mir fällt bei so etwas nur der Begriff Dunning-Kruger-Effekt ein
Wenn man nicht weiß, was im Umgang mit einem Pferd alles passieren kann, macht man sich auch keine Gedanken darüber. Beispielsweise sollte das Pferd Richtung Autobahn rennen und sich nicht aufhalten lassen, kann das wirklich schwere Unfälle provozieren. Bei denen kann nicht nur das Pferd sein Leben lassen. Sicherlich gewinnt auch bei gut ausgebildeten Pferd- Reiter- Paaren mal der Fluchtreflex. Doch kann der im Falle eines Unfalls mit Pferden wirklich gefährlich werden und zwar für alle Beteiligten.
Tritt so etwas im normalen Alltag auf, kann man das mit einem bedauernden Achselzucken abtun. Aber im Umgang mit 500- 600 Kilo Lebendgewicht sind wir in der Verantwortung.
Sucht man nach dem Begriff findet man unter Wikipedia.de den Eintrag
Der „Dunning-Kruger-Effekt bezeichnet die kognitive Verzerrung im Selbstverständnis inkompetenter Menschen, das eigene Wissen und Können zu überschätzen. Diese Neigung beruht auf der Unfähigkeit, sich selbst mittels Metakognition objektiv zu beurteilen. Der Begriff geht auf eine Publikation von David Dunning und Justin Kruger im Jahr 1999 zurück. Die beiden Sozialpsychologen hatten in vorausgegangenen Studien bemerkt, dass etwa beim Erfassen von Texten, beim Schachspielen oder Autofahren Unwissenheit oft zu mehr Selbstvertrauen führt als Wissen. An der Cornell University erforschten sie diesen Effekt in weiteren Experimenten und kamen 1999 zum Resultat, dass weniger kompetente Personen dazu neigen,
- ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen,
- überlegene Fähigkeiten bei anderen nicht zu erkennen,
- das Ausmaß ihrer Inkompetenz nicht richtig einzuschätzen.
Darüber hinaus stellten sie auch fest, dass diese Personen sich selbst und andere besser einschätzen, wenn sie ihre Kompetenzen durch Ausbildung oder Übung verbessern. Dunning und Kruger zeigten, dass schwache Leistungen bei solchen Menschen häufig mit größerer Selbstüberschätzung einhergehen als stärkere Leistungen. […]“
„Wenn man inkompetent ist, kann man nicht wissen, dass man inkompetent ist […]. Die Fähigkeiten, die Sie benötigen, um eine richtige Antwort zu geben, sind genau die Fähigkeiten, die Sie benötigen, um zu erkennen, was eine richtige Antwort ist.“
Wie begegnet man dem Phänomen am wirksamsten?
Die einschlägigen Foren sind voll von Anleitungen, Tipps und auch Klagen aller Art. „Alte“ Pferdetrainer thematisieren das Fehlen von Regeln und alt bewährten Standards im Treiben der neuen „Gurus“. Reitschulen beklagen die Wahrnehmung, dass immer weniger Kinder, reiten lernen- Weiterhin nehmen die außerhalb der Reitsunde wenig vom Drumherum mit, weil sie nur zur Stunde abgesetzt und danach wieder eingesammelt werden. „Neue“ Reiter finden, dass es die „Alten“ mit ihren Regeln und Ausbildungsmethoden übertreiben und nehmen Vieles, was wir Reiter „der alten Schule“ für wichtig erachten, um Einiges leichter.
Denn oft wissen sie nicht, was sie tun und können auch unter die Schublade „Dunning Kruger Effekt“ fallen.
Hinschauen und Aufklären, auch wenn es unbequem ist
Oft wird man dann als unverbesserliche Nervensäge abgetan. Ich erinnere mich als Jugendliche an eine oft laut werdende Frau, bei der alle Jugendlichen stramm standen, wenn sie den Stall betrat. Wehe sie erwischte einen bei einer Tätigkeit, die sie als nicht angemessen empfand.
Gibt es solche Persönlichkeiten noch? Besser gefragt, hört so einer auch jemand zu?
Ich finde, wir „Guten“ sind in der Verantwortung uns immer wieder FÜR das Pferd einzusetzen. Auch wenn es anstrengend ist. Denn nicht nur unsere Gesellschaft hat immer mehr Kommunikationsprobleme. Angesichts von Organisationen wie PETA schwindet auch die Akzeptanz des „Pferde Nutzen Dürfens“.
Das unterstützen Bilder von in Rollkur gerittenen Pferden genauso wie solche, auf denen sie vom Lastwagen angefahren wurden. Auch wenn wir sicherlich nicht alle einer Meinung sind: wenn wir unsere schönstes Hobby der Welt (langfristig) erhalten wollen, müssen wir aktiv werden. Dazu gehört, auch aufzustehen und seine Stimme zu erheben.
Aus diesem Grunde hat vor kurzem zum ersten Mal in meiner langjährigen Tätigkeit eine Teilnehmerin die Bühne meines Pferdeführerscheinkurses verlassen. Die Fähigkeiten, um zu erkennen, was richtig ist, waren kaum ausgeprägt.
In diesem Sinne, macht euch stark für die Pferde und greift ein, wenn Ihr etwas seht, was in euren Augen gegen Vernunft und Tierwohl verstößt,
Corinna von Reitclever
#tierwohl
#verantwortungderReiter
#dunningkurgereffekt