Die Frage „Ist bei dir eine Schraube locker?“ versteht man meist in einem psychosozialen Zusammenhang. Oft meint der Fragende sie entweder scherzhaft oder verärgert. Wenn man sich mit der Wirkweise des menschlichen Körpers auseinander setzt, kann man den Begriff „Schraube locker“ auch anders verstehen.
Nämlich dann, wenn nach einem Sturz oder in einem akuten Schmerzgeschehen das Gehirn irritiert ist. Es weiß dann gerade nicht, dass die Bahn, die von der Lendenwirbelsäule vom Knie führt, intakt ist und Informationen sendet. Es hat schlicht „vergessen“, dass es dort unten ein Knie gibt. Man muss ihm dann nach dem Ereignis erst wieder vermitteln, dass das Geruckel, das von dort gemeldet wird, normal ist, wenn man beispielsweise im Trab aussitzt.
Wenn irgendwo eine Schraube locker ist, kann man sich das vorstellen wie bei einem Radio. Der Sender strahlt ein Programm aus und wer ein intaktes Sendegerät hat, kann es hören. Wenn das Signal für Musik im Radio (oder im Körper) nicht ankommt, könnte es irgendwo auf dem Weg dorthin einen Wackelkontakt geben. Dann spielt das Gerät nichts ab, obwohl man es angestellt hat. Genauso reagiert ein Muskel nicht oder die Bewegungskontrolle leidet. Sich weich und koordiniert zu bewegen ist das, was wir beim Reiten wollen.
Die Leitung vom Gehirn zum Gelenk oder Muskel ist immer da, aber möglicherweise nicht immer stabil
Je nach äußeren Einflüssen oder Störfaktoren kann sie eingeschränkt sein oder sogar ganz ausfallen. Selbstverständlich kann das bei allen Funktionen des Körpers der Fall sein. In der Praxis hilft es manchmal, das Endgerät herunterzufahren und wieder neu zu starten. Oder den Stecker zu ziehen und ihn wieder einzustecken, um mögliche Wackelkontakte auszuschalten. Erstaunlicherweise hilft dieses einfache Vorgehen bei Computern oder Druckern oft.
Man kann im menschlichen Körper den optimalen „Betriebszustand“ mit Hilfe der Neuro- Funktionellen- Integration wiederherstellen. Dabei sucht man, welche Leitung von der Zentrale zur Peripherie „wackelt“ und beseitigt die Leitungsstörung mit einer manuellen Technik. Das wäre die Voraussetzung dafür, dass Gelenk oder Muskel im Folgenden wieder voll angesteuert werden können. Nur wenn die Verbindung sicher steht, kann ein Training greifen. Das gilt sowohl für motorische als auch für psychische Vorgänge. Welch ein Umdenken ermöglicht dieser Fakt: Ich kann erst Output verändern, wenn die Leitung steht!
Wahnsinn, was das für Training, Therapie und auch Coaching bedeutet
Eigentlich müsste jeder Mensch, der etwas verbessern möchte, erstmal sehen, ob bei ihm irgendwo eine Schraube locker ist. Sollten alle fest sein, kann man anfangen etwas zu verändern oder zu zu üben.
Ich gebe zu, dass mir dieser Zusammenhang bis zur letzten Woche auch nicht bewusst war. Seit meiner Kinesiologieausbildung bin von der Wechselwirkung der Gedanken, Organe und Muskelfunktion fasziniert. Auch arbeite ich schon lange mit Menschen und allen möglichen Funktionskreisen. Die Idee, die Verbindungen von oben nach unten zu überprüfen und eventuell neu zu booten habe ich nun erst so richtig entdeckt. Diese Bedeutung ist mir erst jetzt so richtig klar geworden. Nach einer ausgezeichneten Fortbildung zum Thema „Neuro-Funktionelle- Integration“ (kurzes Erklärvideo unter dem blauen Link) gehe ich nun dazu über, bei auftretenden Problemen erstmal den „Kabelbaum“ und Schaltkreise zu testen.
Das ermöglicht einem Körper bei Schmerzen, Stress oder in psychischen Ausnahmesituationen wieder flexibel zu handeln. Welch eine Erkenntnis! Auch als Reiter ist man darauf angewiesen, schnell zu reagieren. Mit lockeren Kontakten oder wackeligen Schaltkreisen wird das nicht so gut gehen. Denn das Gehirn kontrolliert nicht nur alle Prozesse im Körper, sondern ist auch die Schnittstelle zu unserer äußeren Umgebung. Insofern ist eine gute Zusammenarbeit aller beteiligten Strukturen lebenswichtig.
In diesem Sinne wünsche ich Euch neue Gedanken und stabile Schaltkreise,
Corinna von Reitclever
#gesundreiten
#NeuroFunktionelleIntegration
#besserreiten
Corinna Jungblut-Pohl arbeitet als Physiotherapeutin und Reittrainerin im Berlin- Brandenburger Raum.
Um Reitern zu ermöglichen, mit ihrem Pferd so gut wie möglich kommunizieren und gesund reiten zu können, gründete sie das Konzept Reitclever. Im Fokus steht ein angewandtes Training für Reiter, was die wesentlichen Schnittstellen im Kontakt zum Pferd verbessert. Dabei geht es nicht nur um die optimale Beweglichkeit in Hüfte und Becken, sondern auch um die mentale Steuerung. Dazu setzt sie fundierte Methoden zur Diagnostik und Behandlung aller Körpersysteme ein. Ihr erklärtes Ziel ist es, die Interaktion zwischen Pferd und Mensch zu verfeinern und so eine leichtere Kommunikation zu ermöglichen. Die Motivation, für bessere Ergebnisse am eigenen Körper anzusetzen, steht dabei im Vordergrund. Nach einer umfassenden „Fehlersuche“ geht es um das Auflösung von Funktionsdefiziten, um eine gute Rektionsweise des Körpers im Sinne von mehr Gesundheit zu ermöglichen.