
Liest man Zeitung, hört man Nachrichten oder sieht man sich im Reitsport um, gibt es überall Stimmen, die raten, neue Wege zu gehen. Die in Deutschland gefühlt kränkelnde Wirtschaft blickt auf einmal optimistischer in die Zukunft, nachdem die Bundesregierung ein historisches Schuldenpaket auf den Weg gebracht hat. Das hat sie in der vorherigen Legislaturperiode in viel kleinerem Ausmaß verwehrt. Horrende Schulden kommen für Privatleute weniger in Frage. Zumindest nicht, wenn sie beispielsweise ihr Pferd dauerhaft halten möchten.
Auch außerhalb der Politik scheint sich Manches zu verändern
Ich habe vor kurzem bei Facebook einen Artikel gelesen, in dem es um frühere, ländliche Turniere ging. Die fanden auf abgemähten Feldern statt und der Boden im Dressurviereck wies Löcher auf. Abends wurde gemeinsam gefeiert und morgens gegeneinander geritten.
Ich bin kein Fan von „früher war alles besser“. Doch letztes Wochenende habe ich in Neustadt/ Dosse zur Landesmeisterschaft gestaunt, was sich dort alles verändert hat. Eine neue T-Reithalle, eine Hochglanztribüne für den Paradeplatz und chic angelegte Dressurvierecke scheinen für neue Wege in der Ausrichtung des Gestüts zu sprechen. Als ich Anfang des Jahrtausends dort meinen Trainerschein gemacht habe, sah es anders aus. „Reiten als Schulsport“ stand damals noch in den Kinderschuhen und hatte etwas von Grundlagen erlernen. Heute geht es in diesem Projekt um Leistung und Erfolge- als Feld, Wald- und Wiesenreiter hat man keine Chance, in der Schule aufgenommen zu werden.
Genau das sah man auch in den Prüfungen der Landesmeisterschaften: ich habe viele gut reitende junge Menschen gesehen. Aber auch welche, die kein anderes Mittel hatten, als Schieben und Ziehen. Deren Pferde zeichneten sich durch dünne Hälse und wenig Muskulatur aus. Man kann einem Tier ansehen, wie es gearbeitet wird.
Damals wie heute verstehe ich die Notenvergabe in der Dressur nicht immer. Sie hat wohl auch damit zu tun, aus welchem Stall man kommt und wo der Reiter trainiert. Manche Ritte haben mir gut gefallen und wurden auch gut bewertet. Andere waren gruselig anzusehen und wurden schlecht benotet. Da stimmte die Endnote mit meinem Gefühl überein. Aber das war nicht immer so. Viele Namen kannte ich nicht, weil ich seit 20 Jahren nicht mehr auf so einem Turnier war. Einige erkannte ich wieder- die reiten heute noch genauso wie damals oder auch schlechter. Vielleicht sehe ich sie auch anders, weil sich mein Auge auf neue Wege eingelassen hat.
Doch scheint die Schere auch bei den Reitern weiter aufzugehen
Um auf so einem Turnier zu bestehen, braucht man neben Motivation und Zeit einen gut gefüllten Geldbeutel für ein teures Pferd. Den braucht man inzwischen als „Normalo“ auch, um auch weniger teure Pferde gut zu füttern. Und es wird immer schwieriger, es bereitzustellen.
Ich habe für unsere diesjährige Winterration Heu fast doppelt so viel bezahlt wie vor 5 Jahren von unserem örtlichen Heubauern. Jetzt stammt das Heu von 20 km entfernten Wiesen, ist von guter Qualität, ohne Jakobskrauskraut und sichtbare Graukresse. Die trockenen Wiesen um unser Dorf herum sind graukresseverseucht. Wir selbst feiern in diesem Jahr, dass sich das von Hand ausreißen der letzten Jahre auszahlt: wir haben deutlich weniger von dem Zeug auf den Wiesen zu stehen.
Die Pferde sehen besser aus und atmen besser. Seitdem wir den Heulieferanten gewechselt haben, pumpen sie auch bei Staub deutlich weniger und husten kaum. Ich hatte jahrelang hustende Pferde im Sommer. Weniger trocken ist es in diesem Jahr nicht bei uns. Zum Glück hat es kürzlich ergiebig geregnet, sonst wäre es vorbei gewesen mit der Weidesaison.
Geht es nur um Geld im Pferdesport?
Wenn man oben mit reiten möchte ganz bestimmt. Doch auch, wenn man „nur“ Spaß mit dem Partner Pferd haben möchte, muss man das ganze Drumherum bezahlen. Je hochwertiger desto teurer. Damit meine ich nicht das 100.te Müsli mit der noch zuckrigeren Melasseschicht über den Körnern, sondern das ganz normale Grundfutter. Hafer, Heu und Stroh- das reicht für ein gesundes Pferd in der Regel und wird auf Grund des Wetters teurer.
Es ist unsere Verantwortung, dass Tiere in unserer Obhut gesund bleiben. Futter und Haltung ist das eine- ausreichend Bewegung und Training für das, was das Pferd leisten soll, das andere. Gesund reiten für Reiter und Pferd ist meine Idee und Ausrichtung. Und leider sehe ich oft, dass genau all das nicht stimmt, wenn es günstig ist.
Denn da fängt es an: Mit Aufklärung und Wissensvermittlung. Erklärt man die Basics einer guten Ausbildung von Reiter und Pferd öffentlich, bedanken sich manche Trainer, dass so etwas auch nicht so erfahrene Reiter wissen müssen. Andere fühlen sich auf den Schlips getreten und giften, dass die Reiterwelt nicht auf solche unspektakulären Basics wartet.
Wie sehen neue Wege im Reitsport aus?
Wie erreicht man „die Reiter“? Schon diese Formulierung ist missverständlich, denn die Realität zeigt, dass Reiter früher wie heute keine einheitliche Gruppe sind. Die Bezeichnung „Freizeit“- oder „Turnierreiter“ kann eine Auszeichnung oder ein Schimpfwort sein. Abgesehen davon, dass die wenigsten von uns Berufsreiter sind. Also betreiben wir diesen Aufwand in der Freizeit nach einem Acht- oder Mehrstundentag.
Welchen Stil man bevorzugt und wie das Tier lebt, ist genau so eine Glaubensfrage wie zu welchem „Lager“ man gehört. VfD, FN, klassisch, native, Western, Horseman… Viele finden nur die eigene Gruppierung gut und schauen nicht über den Tellerrand. Zwar hat jeder schon positive und negative Erfahrung mit dem einen oder anderen dieses Labels gemacht, aber trotzdem werden „die anderen“ häufig verteufelt und beschimpft.
Wir brauchen eine Verständigung darüber, wie ein guter oder schlechter Weg aussieht. Dabei ist es für mein Dafürhalten völlig egal, was für ein Sattel auf dem Pferd liegt und ob es mit oder ohne Gebiss läuft. Passend muss die Ausrüstung sein. Nur dann kann das Tier entspannt laufen, Takt und Losgelassenheit entwickeln, ehe es zu einer ausreichenden Tragkraft kommt. Und das ist nicht neu, sondern schon lange bekannt. Schon früher haben sich die verschiedenen Lager über den richtigen Weg dahin teilweise recht lautstark beschimpft.
Aber geht es nicht ums Pferd?
Das wie der Reiter nur eine Art von Anatomie hat, so dass sie nur auf eine bestimmte Art und Weise funktionieren kann? Dass der Weg in der Ausbildung des Reiters anders aussieht als der des Pferdes, habe ich in dem Artikel „Koordination, Gleichgewicht und die Skala der Ausbildung“ beschrieben (Klick auf den Link, um ihn zu lesen).
Das unterrichte ich unter anderem in meinen Kurswochenenden. Im Juni war ich wieder zum Unterricht auf einer wirklich schönen Reitanlage. Dort kostet die Unterbringung monatlich eine hübsche Summe. Dafür es geht dem Pferd gut und das Futter passt. Auch sehe ich ein harmonisches Miteinander von jung und alt und der verschiedenen Reitweisen. Es geht um die Sache, die Liebe zum Pferd und nicht darum, wer zu welchem Lager gehört. Darauf kommt es in meinen Augen an. Um einen Einblick zu bekommen, klick auf das Video.
Ich bin nicht bereit, zu kapitulieren, weil der Zug abgefahren ist. Momentan höre ich oft, dieses Pferd noch zu Ende zu bringen und sich dann kein Neues mehr zu kaufen. Aber es gibt auch motivierte Einsteiger, die bereit sind, alles so gut wie möglich zu machen. Früher wusste ich auch nicht so viel wie heute und habe manches falsch gemacht. Das ist normal und gehört zum Lernen dazu. Aber wenn „die Guten“ aufgeben, wer unterrichtet die Motivierten dann?
Wenn die Bereitschaft zum Lernen da ist, gibt es auch Möglichkeiten
Viele Kursanbieter müssen aktuell Kurse absagen. Gerade jetzt im Sommer scheint es eher um Urlaub zu gehen als um Wissen. Es ist vernünftig, sein Geld zusammenzuhalten, weil man nicht weiß, was noch kommt. Aber wenn ich auf die Landesmeisterschaften schaue und Reisebürobesitzer frage, ist Geld da. Die Leute verreisen momentan so viel wie noch nie. Ob das aus den Einschränkungen nach Corona resultiert oder ob sie angesichts der Krisen dieser Welt jetzt reisen, weil sie nicht wissen, wie lange sie das noch können, kann ich nicht beurteilen.
Doch sind mir die Pferde wert, mit Herzblut dabei zu bleiben.
Aus diesem Grunde gebe ich am 20./21.09.2025 in Kooperation mit dem Vfd Berlin Brandenburg das Seminar „Reiten lehren- Reiten verbessern“. Es richtet sich ausdrücklich an Reitlehrer und Trainer und zielt auf die Fähigkeit ab, handlungsorientiert zu korrigieren. Es geht weniger um Fehler sehen als um die Möglichkeit, dem Reitschüler zu zeigen, wo und wie er sich verbessern kann. Mehr Informationen bekommst Du unter dem Link. Es gibt noch freie Plätze.
Ebenfalls für Trainer geht es Anfang Oktober auf Rügen um „Fitness und Gesundheit“. Wenn wir den Reitsport besser machen wollen, müssen wir an der Basis ansetzen. Den wenigsten Reitern geht es um Ruhm und sportliche Ehre. Meist wollen sie einfach eine gute Zeit mit und auf dem Pferd verbringen. Da es dafür auch Geld braucht, verwirklicht man Kindheitsträume häufig erst, wenn man die Möglichkeit hat. Wenn die Familienplanung durch ist und der Job genügend Einkommen hergibt, kann man dieses Vorhaben angehen. Es gibt viele ältere (Wieder-)Einsteiger, die dann schon die eine oder andere körperliche Baustelle haben. Die holt man mit einem gesundheitsorientierten Ansatz ab und bindet sie über den Partner Pferd an eine regelmäßige sportliche Tätigkeit. Darum, um die Chance, neue Zielgruppen zu erschließen und auch um das notwendige Wissen rund um den menschlichen Körper geht es vom 02.10.- 05.10.2025 in Viervitz. Informationen unter dem Link und Anmeldung unter info@reiten-viervitz.de.
Für Einsteiger und Pferdemenschen, die es im Sinne des Pferdes richtig machen wollen, gibt es ab dem 11.10.2025 bei mir auf dem Hof noch einen Kurs Pferdeführerschein Umgang. Auch hier mehr Informationen unter dem Link.
Ich wünsche Dir einen schönen Urlaub und neue Wege, die dich weiter bringen,
Corinna von Reitclever
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